Text, Fotos: Vilsbiburger Zeitung, 08.12.2014 (Georg Soller)

„Ein Denkmal für die Energiewende“

Ein wenig verschämt verhüllte sich das neue Windrad am Eröffnungstag im dichten Nebel und stand still. Doch es funktioniert: die ersten...

Windrad der Stadtwerke Vilsbiburg offiziell seiner Bestimmung übergeben

Vilsbiburg. Rund zehn Prozent des in Vilsbiburg verbrauchten Stroms kann über das Jahr gesehen mit dem Windrad in Moosthann erzeugt werden, oder 150 Prozent des in der Gemeinde Postau verbrauchten Stroms: Aus diesem Grund begrüßten am Freitagnachmittag bei der offiziellen Inbetriebnahme der ersten Großwindanlage in Niederbayern alle Sprecher das Engagement der Stadt Vilsbiburg für eine nachhaltige Energieversorgung. Günter Beermann, der die Anlage geplant hat, sprach gar von einem „Denkmal für die Energiewende".

 

Wer auf der A 92 von Wörth in Richtung Landshut fährt, kann bei schönem Wetter die energiepolitische Zeitenwende sehen: Linker Hand das Atomkraftwerk Isar 2, das voraussichtlich im Jahr 2022 abgeschaltet wird. Fast auf gleicher Höhe dreht sich rechts der Rotor der ersten Großwindanlage in Niederbayern, die seit dem Ausrufen der Energiewende errichtet werden konnte. „Ein weithin sichtbares Leuchtturmprojekt", sagte Vilsbiburgs Bürgermeister Helmut Haider am Freitag.

 

Dass der Weg dorthin nicht einfach war, hat auch mit der (Energie-) Wende rückwärts zu tun, die in der bayerischen Politik vollzogen wurde: „Die Spielräume für derlei Projekte sind mit den neuen gesetzlichen Vorgaben eng geworden. Doch wir nutzen sie und gehen ihn weiter: unseren Weg der schrittweisen Optimierung im Klimaschutz", sagte Haider in seiner Rede.

 

Grossansicht in neuem Fenster: Symbolische Inbetriebnahme (von links): Bürgermeister Helmut Haider, Landrat Peter Dreier und der Leiter der Stadtwerke Vilsbiburg, Wolfgang Schmid.Langer Weg bis zur Genehmigung

Der Vilsbiburger Bürgermeister zeichnete in seiner Rede noch einmal die wichtigsten Stationen auf dem Weg zur erstem Großwindanlage in Niederbayern nach. Bekanntlich bemüht sich die Stadt Vilsbiburg bereits seit 2007, ein eigenes Windrad im Verteilungsgebiet der Stadtwerke zu errichten. Doch die geplante Anlage auf dem Zeilinger Berg am Stadtrand von Vilsbiburg kann wegen immer neuer behördlicher Widrigkeiten bis jetzt nicht gebaut werden.

 

So erschien es dem Stadtrat als eine gute Idee, in das Windkraftprojekt in Moosthann einzusteigen, das von einigen Familien zunächst auf den Weg gebracht, von ihnen aber allein nicht vollendet werden konnte. Im Herbst 2011 fand eine sehr emotionale Anliegerversammlung statt, bei der die Vertreter der Stadt und der Stadtwerke Vilsbiburg nicht nur mit offenen Armen empfangen wurden. Doch die Stadt habe stets mit offenen Karten gespielt, sagte Haider: „Ich denke, wir haben es vermitteln können, dass es besser ist, wenn eine benachbarte Kommune dieses Windrad errichtet, als ein unbekannter Investor, der womöglich auch noch im Ausland sitzt." Zum Betrieb des Windrads wurde das Kommunalunternehmen VIBWind gegründet.

 

Im März 2012 wurde der Bauantrag beim Landratsamt gestellt, im November 2013 die Baugenehmigung erteilt. Diese lange Genehmigungsdauer sei aber nicht auf Probleme mit dem Landratsamt zurückzuführen, erläuterte später Planer Günter Beermann: „Man benötigt dafür sehr viele Gutachten, und diese ökologischen Forschungen benötigten eben Zeit. Das sind sehr zeitraubende Vorgänge."

 

Danach ging alles schnell: Im Februar dieses Jahres begann die Einrichtung der Baustelle, im Juni wurde das Fundament gegossen: In nur zehn Stunden wurden 70 Tonnen Stahl und 800 Kubikmeter Beton verarbeitet, von denen man heute nichts mehr sieht - alles ist im Untergrund verschwunden.

 

Über den Sommer erfolgte der Turmbau mit einem 150 Meter hohen Montagekran, im Oktober wurden Gondel und die Rotorblätter montiert und im November wurden die ersten Kilowattstunden ins Netz eingespeist, nachdem die Überlandzentrale Wörth unbürokratisch und schnell für einen Anschluss gesorgt hatte.

 

Nachdem in den Medien oft über die Skepsis von Anwohnern berichtet werde, widersprach Haider hier mit gegenteiligen Erfahrungen: Das Interesse an der Baustelle sei sehr groß gewesen, die Begleitung durch die Bürger insgesamt positiv: „Wir haben uns hier willkommen gefühlt."

 

Landrat Peter Dreier gratulierte der Stadt zu diesem Bauwerk: „Die Stadt Vilsbiburg geht bei der Nutzung von erneuerbaren Energien seit vielen Jahren vorbildliche Wege und trägt als Klimakommune aktiv zum Gelingen der Energiewende bei." Dreier nannte Bürgersolaranlagen, Nahwärmeversorgung und Bürger-Elektroautos als praktische Vilsbiburger Projekte.

 

Grossansicht in neuem Fenster: Viele Kommunalpolitiker, die Initiatoren, Nachbarn und Vertreter der Baufirmen waren zum Festakt gekommen.Risikoarme Energieform

In seiner bemerkenswerten Rede lobte der Landrat die Windkraft als eine sehr alte Energiequelle, die unerschöpflich und umweltschonend sei: 20 000 Windmühlen gab es 1850 in Deutschland, annähernd so viele, wie zwischen 2000 und 2010 wieder gebaut wurden. Und während fossile Energien immer schwieriger zu fördern seien - Dreier sagte, Fracking werde wegen der nicht überschaubaren Risiken für die Umwelt zurecht abgelehnt - sei die Nutzung der Windkraft weitgehend ungefährlich.

 

Jedoch werden von den Bürgern an die Windkraft weitaus höhere Ansprüche gestellt als bei herkömmlichen Energieformen: „Natürlich beeinträchtigt eine große Windkraftanlage den freien Blick über die Landschaft, aber Kohleabbau über Tage, um nur ein Beispiel zu nennen, lässt ästhetisch doch weitaus mehr zu wünschen übrig." Darüber hinaus erlaube es die Windkraft, die Energieversorgung wieder zu dezentralisieren und die Abhängigkeit der kommunen von Energiekonzernen zu vermindern: „Die Diskussion über die geplanten Verläufe von Gleichstromtrassen zeigt, dass wir regionale Lösungen für die Energieversorgung brauchen."

 

Daten und Zahlen zum Windrad

Die Windkraftanlage Enercon E 101 ist ein sehr moderner Generator, der auch schwächere Winde zur Stromgewinnung nutzen kann. Mit 135 Meter Nabenhöhe erreicht die Anlage bereits die günstigeren Höhenwinde. Der Rotor hat einen Durchmesser von 101 Metern, ein Rotorblatt hat eine Länge von 49 Metern. Das Windrad hat 3 Megawatt Leistung und kann damit voraussichtlich 5,5 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr erzeugen. Das entspricht in etwa zehn Prozent des Vilsbiburger Bedarfs, so der Leiter der Stadtwerke, Wolfgang Schmid, oder 150 Prozent des Bedarfs in der Gemeinde Postau, in deren Ortsteil Moosthann das Windrad steht. Das Projekt kostet 5,1 Millionen Euro.

 

Bildunterschrift 1
Ein wenig verschämt verhüllte sich das neue Windrad am Eröffnungstag im dichten Nebel und stand still. Doch es funktioniert: die ersten Kilowattstunden Strom sind bereits ins öffentliche Netz eingespeist worden.

 

Bildunterschrift 2
Symbolische Inbetriebnahme (von links): Bürgermeister Helmut Haider, Landrat Peter Dreier und der Leiter der Stadtwerke Vilsbiburg, Wolfgang Schmid.

 

Bildunterschrift 3
Viele Kommunalpolitiker, die Initiatoren, Nachbarn und Vertreter der Baufirmen waren zum Festakt gekommen.